__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Beim OBI Verdi Infoblog arbeiten Gewerkschafter und KollegInnen aus ganz Deutschland mit. Mit unseren Beiträgen wollen wir in schwierigen Zeiten für mehr Transparenz im Unternehmen sorgen und allen KollegInnen eine Plattform zur Information und zum Austausch geben. Wenn Ihr Euch ebenfalls als BloggerIn engagieren möchtet, schreibt ein Mail an
obi-ver.di@web.de
__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

10. August 2013

Pssst! Geheim! Nicht weitersagen!


Betriebsrat und Betriebsverfassungsgesetz

Die beste Informationspolitik, die ein Betriebsrat aus Unternehmersicht machen kann, ist   k e i n e Informationspolitik, weil es z.B. gar keinen Betriebsrat gibt (was dies für eine Belegschaft bedeutet, läßt sich derzeit bei manchem Markt beobachten). Die zweitbeste Informationspolitik aus Arbeitgebersicht ist das Zurückhalten, Filtern oder "absegnen lassen" von BR-Aushängen, wie es eine ehemalige Mitarbeiterin der Personalabteilung vor längerer Zeit einmal durchsetzen wollte. Begründet wird dies gerne mit dem Hinweis auf die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" (BetrVG § 2) oder eine angebliche "Geheimhaltungspflicht" des Betriebsrates nach § 79 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
Viele Betriebsrätinnen und Betriebsräte lassen sich durch derlei Behauptungen der Unternehmensbesitzer und ihrer Untergebenen einschüchtern und zum Schweigen verpflichten.
Tatsächlich ist aber fast nichts, was der Arbeitgeber unter "Geheimhaltung" stellen möchte, geheim. 
   
Betriebsverfassungsgesetz § 79  ("Geheimhaltungspflicht")

Denn was steht wirklich in diesem ominösen "Geheimhaltungs"-Paragraphen?
"(1) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse,die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats.Sie gilt ferner nicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, dem Konzernbetriebsrat, der Bordvertretung, dem Seebetriebsrat und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie im Verfahren vor der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86)."


Geheimhaltungspflicht - Was fordert sie eigentlich?

Die Geheimhaltungspflicht ist in § 79 BetrVG definiert. Für die gesetzliche Geheimhaltung müssen mehrere Bedingungen zusammentreffen, die unten einzeln erläutert werden:
1. Nur Mitglieder und Ersatzmitglieder des BR können zur Geheimhaltung verpflichtet werden
2. Es muss ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG vorliegen. Alles andere fällt nicht unter Geheimnis und unterliegt nicht der Verschwiegenheitspflicht
3. Die Sache muss den BR Mitgliedern durch ihr Amt bekannt geworden sein. Dinge, die auf andere Weise erfahren werden, fallen nicht unter die Geheimhaltungspflicht
4. Der Arbeitgeber muss die konkrete Angelegenheit ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig erklären und muss dies begründen. Er kann die Geheimhaltungspflicht nicht über den § 79 BetrVG erweitern. Ein BR kann überhaupt nichts für geheim erklären. Ein allgemeiner Hinweis auf Vertraulichkeit löst keine Geheimhaltungspflicht aus.
Trifft nur einer der oben genannten Punkte nicht zu, liegt keine Geheimhaltungspflicht vor.  



Erklärung des Arbeitgebers oder wann wird etwas zu einem Geheimnis?

Geheimhaltungspflichtig sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (und nichts anderes!)
Der Arbeitgeber (nicht der BR!) muss durch ausdrückliche Erklärung darauf hingewiesen haben, dass er die betreffende Angelegenheit als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ansieht, über das Stillschweigen zu halten ist. Für den Erklärungsempfänger muss der Wille des AG über die Geheimhaltungsbedürftigkeit klar erkennbar sein. Dazu reicht die bloße Bezeichnung einer Mitteilung als „vertraulich“ nicht aus.

Eine Angelegenheit kann jedoch nicht willkürlich zum Geschäftsgeheimnis gemacht werden, vielmehr ist ein objektives Geheimhaltungsinteresse erforderlich (Fitting Rn. 3; GK-BetrVG/Oetker Rn. 8; DKK/Buschmann Rn. 6). Das Geheimhaltungsinteresse muss legal und legitim sein (vgl. BAG 26. 2. 1987 AP BetrVG 1972 § 79 Nr. 2: „berechtigtes wirtschaftliches Interesse“). Eine Erweiterung des Geheimhaltungsgebots über § 79 hinaus ist nicht zulässig (vgl. auch BGH 5. 6. 1975 DB 1975, 1308)  
  
Was sind Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse?

Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, Erkenntnisse und Unterlagen,
•die im Zusammenhang mit dem technischen Betrieb oder der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens stehen und
•die nicht offenkundig sind. Ist die Angelegenheit bereits einem größeren, nicht abgrenzbaren Personenkreis bekannt oder kann sich jeder Interessierte ohne besondere Mühe Kenntnis verschaffen, liegt kein Geheimnis (mehr) vor und
•die vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet werden. Die Bezeichnung einer Angelegenheit als vertraulich reicht nicht aus und
•an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Das ist dann der Fall, wenn eine Bekanntgabe der Angelegenheit einen Nachteil gegenüber der Konkurenz oder den Verlust eines Vorteils zur Folge hätte. Kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht beispielsweise bei unlauteren und gesetzwidrigen Vorgängen.

Beispiele für Betriebsgeheimnisse: Sie liegen meist auf technischem Gebiet, zB technische Geräte und Maschinen, Diensterfindungen, Konstruktionspläne, Aufzeichnungen über neue technische Verfahren oder Mängel der hergestellten Ware, Rezepturen usw., auch die Tatsache, dass ein bestimmtes Verfahren in einem Betrieb angewendet wird (BAG 16. 3. 1982 AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr.1 LAG Köln 16. 12. 1987 LAGE BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 1). Zu geplanten Betriebsänderungen und -übertragungen s. § 111 Rn.5 ff.

Beispiele für Geschäftsgeheimnisse: Sie betreffen regelmäßig wirtschaftliche und kaufmännische Tatsachen, z.B. Absatzplanung, Vorzugspreise, Kalkulation, unveröffentlichte Jahresabschlüsse, Liquidität des Unternehmens, Auftragslage, Umsatzhöhe, uU wichtige Verträge oder Vertragsverhandlungen (vgl. Thomas Schmidt AiB 1980, 3 Kundenlisten und -karteien. 
 
Was sind keine Geheimnisse?

Keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind die Auswirkungen unternehmerischer Planungen und Maßnahmen auf den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann hier dem BR keine Schweigepflicht auferlegen. Der BR darf und muss aufgrund seiner Informationspflicht (begründet im Sinn des BR und § 43 BetrVG) die Belegschaft informieren.

Laut BetrVG und BAG Rechtsprechung unterliegen nur Tatsachen der Geheimhaltungspflicht, die bei Bekanntgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenz steigern könnten. Dazu zählen nicht Pläne ob und wie ein Arbeitgeber Stellenabbau betreibt. Das BAG betont extra, dass sogar bei geheimhaltungspflichtigen Dingen die berechtigten Interessen der Belegschaft zu berücksichtigen ist.


Beispiel 1: Der Arbeitgeber teilt dem BR mit, dass er die Einführung einer neuen Software plant.
Er verbindet die genaue Beschreibung der technischen Einzelheiten mit dem Hinweis, dass diese Informationen gemäß §79 BetrVG geheimzuhalten seien. Auf Fragen des BRs, welche Auswirkungen sich auf die Arbeitnehmer ergeben würden, teilt der Arbeitgeber mit, dass einige Beschäftigte entlassen, andere versetzt werden sollen. Selbst wenn die Einzelheiten der neuen Technik als Betriebsgeheimnis anzusehen sein sollten (was nur dann der Fall ist, wenn alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind), dann ist der BR durch § 79 BetrVG keineswegs gehindert, die Beschäftigten über die vom Arbeitgeber geplanten personellen Maßnahmen zu informieren

Beispiel 2: Keine Betriebsgeheimnisse sind außerdem Daten und Zahlen aus dem Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft. Strittig ist, ob und inwieweit Daten aus OHG und KG Geschäftsgeheimnisse sind.

Beispiel 3: Eine Firma hat eine kleinere Firma aufgekauft. Die neuen Eigentümer erklären dem BR im April, im August werden die dortigen Zentralen Dienste zugemacht. Sie stellen das unter Geheimhaltungspflicht. Begründung: Würde die Schließung in der Belegschaft frühzeitig bekannt, könne die Administration möglicherweise nicht bis zum Ende aufrechterhalten bleiben.

Reichweite der Geheimhaltungspflicht

Die Reichweite der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG wird von vielen BRs überschätzt. Die Summe der oben dargelegten Begrenzungen der Geheimhaltungspflicht lässt diese Pflicht auf wenige Ausnahmefälle (siehe obige Beispiele) zusammenschrumpfen.

Der BR darf sich durch §79 BetrVG auf keinen Fall zu einer Geheimratspolitik gegenüber der Belegschaft verleiten lassen oder sie sogar missbrauchen. Dem Arbeitgeber sollte von vornherein klar und deutlich gesagt werden, dass der BR nicht daran denkt, negative Auswirkungen von Arbeitgebervorhaben auf die Beschäftigten geheim zu halten.

Z.B. fallen Informationen/Vermutungen/Schlussfolgerungen über Verhandlungsstände, die in der Belegschaft diskutiert werden, nicht unter die Geheimhaltungspflicht. Weder der Arbeitgeber noch der BR kann daher Mitarbeitern, die Diskussion und Verbreitung über Mutmaßungen zu bestimmten Themen, wie Stellenabbau (z.B. in Emails oder Foren) unter Berufung auf die Geheimhaltungspflicht des BRs verbieten.



http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/c/ce/Gestern_geheim-heute_kultur.png/320px-Gestern_geheim-heute_kultur.png
  
Kein Schweigen über BR-Sitzungen
(oder Betriebsversammlungen) !

Entgegen der Annahme mancher BR-Gremien ist über Inhalt und Verlauf von BR-Sitzungen nicht zu schweigen. Aus §30 Satz 4 BetrVG ergibt sich keine über die Verschwiegenheitspflicht des § 79 BetrVG hinausgehende Verpflichtung. Es besteht keine generelle Pflicht, Stillschweigen über den Inhalt von Betriebsratssitzungen(oder Betriebsversammlungen) zu wahren. Die Nichtöffentlichkeit in §30 BetrVG bezieht sich auf die zu den Betriebsratssitzungen (bzw. in § 42 bei Betriebsversammlungen) zugelassenen Teilnehmer!

Die ständige informelle Berichtserstattung über die Arbeit des Betriebsrats stärkt die Verbundenheit mit der Belegschaft und deren Interesse an der Arbeit des Betriebsrats.
(Vgl. BAG 5. 9. 1967 AP BetrVG § 23 Nr. Rn. 16; Fitting Rn. 20; GK-BetrVG/Wiese/Raab Rn. 27, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5.Aufl.2005, Eisemann, §30 Betriebsratssitzungen Rn 3)
Aus den BR-Sitzungen darf also alles berichtet werden, mit Ausnahme der Angelegenheiten, die nach §79 BetrVG geheim sind.

Fazit

Der Hang, auf die Bitte des Arbeitgebers zur Vertraulichkeit oder auf ein unterstelltes Gebot von Vertraulichkeit mit Schweigen gegenüber der Belegschaft zu reagieren, und auch die Betriebsratsarbeit weitgehend zur Geheimsache zu machen, hat also keine gesetzliche Grundlage. Es gibt nur wenige Dinge, über die Betriebsräte wirklich schweigen müssten. Für alles andere und den daraus resultierenden Vertrauensverlust sind Betriebsräte selbst verantwortlich.

Arbeitgeber versuchen dem Betriebsrat gegenüber alles und jeden für geheim zu erklären. Der Grund dafür ist: Sie wollen so wenig wie möglich Öffentlichkeit im Betrieb, denn der Arbeitgeber weiß genau: Ein Betriebsrat, hinter dem eine gut informierte Belegschaft steht, ist ein starker Betriebsrat. Öffentlichkeit herzustellen über Vorgänge im Betrieb ist ein Anliegen des Gesetzgebers.


Der Betriebsrat sollte nicht zu einem Geheimrat mutieren! 
 
Quelle: Hugendubel Verdi Infoblog
 

4 Kommentare:

  1. na, wenn ihr einen schweigenden BR habt, habt ihr die falschen Leute gewählt. Bei uns gibt es so etwas nicht, BR Newsletter, Gespräche im Haus, im BR- Büro (ist ja immer offen) oder in der Kantine (da sitzt der AG direkt daneben).Weder der BR schweigt, noch der AG hindert ihn zu sprechen. Gibt es bei OBI BRs, die nicht mit ihren Kollegen sprechen? Kann ich nicht glauben. Wir werden doch von unseren BRs vertreten, wie geht das ohne Kommunikation? Ohne Feedback geht nichts.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja stimmt, mit Reden hat die Frau S. keine Probleme.

      Löschen
  2. Gibt sehr unterschiedliche BR. Manche fragen nicht mehr was die Leute wollen. Müssen die auch nach der Wahl nicht. Sind oft schlimmer als der ML und tun nur etwas für ihre Spezis. Oder die streiten sich nur untereinander und sind damit beschäftigt.

    Darum: Überlegt genau wen ihr euch als BR wählt, es dauert lange 4 Jahre, bis ihr die Entscheidung korrigieren könnt.

    AntwortenLöschen
  3. Streng vertraulich!
    Der GBR ist über OBI Optimiert informiert.
    Dann mal her mit den Informationen.

    AntwortenLöschen

Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben.
Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." einfach die Option "anonym".
Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, dann wählt die Option "Name/URL".
Die Eingabe der URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht erforderlich.